Lina drückte mir die CD entgegen.
Mit Filzstift stand darauf: „Unsere Lieblingsgeschichten“.
„Wir haben die besten Folgen auf eine CD gebrannt“, erklärte sie stolz. „Damit Sie auch was zum Hören haben, wenn Sie mal traurig sind.“
Ich musste lachen und schlucken gleichzeitig.
„Dann muss ich ja jetzt vorsichtig sein, damit ich mir meine Traurigkeit gut aufhebe“, sagte ich. „Sonst gehen mir noch die richtigen Momente aus, um diese CD zu hören.“
Wir saßen später zu viert am Küchentisch: Julia, Lina, mein Mann und ich.
Der Kuchen war innen etwas zu weich, außen etwas zu dunkel – perfekt menschlich.
Lina erzählte von der Schule, von ihrer neuen Lehrerin, die „immer so lustige Ohrringe“ trug.
Julia erzählte von einem kleinen Job, den sie gefunden hatte, von Formularen, die sie unterschrieben hatte, von Nächten, in denen sie noch immer wachlag, aber weniger oft.
Und dann sagte sie etwas, das mir im Gedächtnis blieb:
„Neulich war ich an der Bushaltestelle und da stand eine Nachbarin, mit einem viel zu dünnen Mantel. Sie wollte ihren Sohn abholen. Es war kalt. Ich habe ihr den warmen Schal gegeben, den ich bei Ihnen mitgenommen habe. Und ich dachte: Jetzt bin ich dran mit Weitergeben.“
In diesem Moment verstand ich, wie weitreichend eine einzige Geste sein kann.
Nicht, weil sie groß ist, sondern weil sie ansteckend ist.
Als sie später gingen, blieb die Küche still zurück, aber nicht leer.
Der Platz, an dem sie gesessen hatten, schien noch warm zu sein.
Ich räumte die Tassen weg, stellte die CD vorsichtig neben das Bild und das Stoffreh.
Und ich wusste:
Manchmal sind es nicht die großen Spendenaktionen oder die perfekten Pläne, die ein Leben in eine neue Richtung schubsen.
Manchmal ist es ein Flohmarkt an einem ganz normalen Samstag, ein Kind mit schiefen Zöpfen, ein alter CD-Player mit Wolkenstickern und die Entscheidung zu sagen:
Heute darf jemand anderes leichter atmen.
Und vielleicht, irgendwann, atmet die Welt ein kleines bisschen mit.






