Ich hatte beschlossen, Toros Sachen ins Tierheim zu bringen: sein zweites Halsband, das er kaum getragen hatte, einige Spielzeuge, die nicht so sehr nach ihm rochen, sein Reservekissen.
Die Leine behielt ich. Ein Teil von mir war noch nicht bereit, sie loszulassen.
Im Tierheim war weniger los als unter der Woche.
Eine junge Mitarbeiterin nahm dankbar die Spende entgegen und fragte, ob ich einen Blick auf die Hunde werfen wolle.
Ich zögerte. Dann hörte ich mich „nur kurz“ sagen.
Wir alle wissen, was „nur kurz“ in solchen Situationen bedeutet.
Reihe um Reihe ging ich an den Zwingern vorbei.
Nasen drückten sich an Gitterstäbe, Augen folgten mir, manche mit aufgeregter Hoffnung, andere mit resignierter Müdigkeit.
Ich fühlte mich schuldig, weil ich nicht alle mitnehmen konnte.
Dann blieb ich vor einem Zwinger stehen, ohne genau zu wissen, warum.
In der hinteren Ecke lag ein mittelgroßer Mischling, grauschwarz, mit etwas zu großen Pfoten für seinen Körper.
Sein Fell war an einigen Stellen dünner, eine alte Narbe zog sich über die Schulter.
Als ich stehen blieb, hob er den Kopf und sah mich an.
Nicht hektisch, nicht bettelnd – nur ruhig, abwartend, mit einem Blick, der mir seltsam vertraut vorkam.
Nicht weil er aussah wie Toro – tat er nicht – sondern weil in diesen Augen dieselbe stille Frage lag: „Kann ich bei dir sicher sein?“
„Das ist Bruno“, erklärte die Mitarbeiterin neben mir.
„Acht Jahre alt, ausgesetzt. Die meisten wollen lieber jüngere Hunde. Er sitzt schon länger hier.“
Sie seufzte leise. „Er ist ein guter Kerl. Kein Showhund. Aber sehr loyal.“
„Kein Showhund“, wiederholte ich in Gedanken.
Toro war auch nie ein Showhund gewesen. Er war ein Alltagsheld.
Bruno stand auf, langsam, als täte ihm jede Bewegung weh, kam ein paar Schritte näher, blieb aber mit respektvoller Distanz stehen.
Ich kniete mich hin und streckte vorsichtig die Hand aus.
Er schnupperte, sehr konzentriert, dann leckte er sanft über meine Finger.
Ein warmer, feuchter Hauch, wie eine kleine, zögerliche Unterschrift.
In meinem Kopf schrien tausend Stimmen durcheinander.
„Es ist zu früh.“
„Du betrügst Toro.“
„Du bist noch nicht bereit.“
Und irgendwo dazwischen eine leise, fast schüchterne Stimme:
„Vielleicht ist genau jetzt der richtige Moment.“
Ich ging an diesem Tag ohne Bruno nach Hause.
Ich brauchte noch Zeit, um mit meinen Schuldgefühlen zu ringen, um zu akzeptieren, dass Liebe sich nicht auf einen einzigen Körper beschränkt.
In der Trauergruppe sprach ich darüber, und Sabine sagte etwas, das in mir hängen blieb:
„Ein neuer Hund nimmt dir nichts von der Liebe zu Toro. Er gibt dir nur einen neuen Ort, sie hinzulegen.“
Ein paar Wochen später stand ich wieder vor dem Tierheim.
Diesmal ohne Spende, ohne Ausrede.
Der Regen hatte aufgehört, aber die Straßen glänzten noch nass, und über den Dächern hing dieser müde, milchige Winterhimmel.
Mein Herz schlug schneller, als ich durch den Hof ging.
Wie beim ersten Date nach einer langen, schmerzhaften Trennung.
Bruno war noch da.
Als er mich sah, wedelte er langsam mit dem Schwanz, als hätte er etwas erkannt, worauf ich selbst noch keinen Namen hatte.
Ich kniete mich wieder hin, und diesmal legte er seine Stirn kurz gegen meine Hand.
Es war kein Feuerwerk, kein märchenhaftes Erkennen auf den ersten Blick.
Es war etwas viel Wertvolleres: ein zartes, vorsichtiges „Vielleicht“.
An diesem Abend unterschrieb ich erneut ein Dokument in einer Praxis-ähnlichen Umgebung.
Kein Todesurteil diesmal, sondern eine Adoptionserklärung.
Wieder schrieb ich einen Namen unter ein Blatt Papier, wieder zitterte meine Hand.
Diesmal, weil ich wusste, dass ich nicht nur Leben in mein Zuhause, sondern auch Verwundbarkeit in mein Herz zurückholte.
Als ich die Wohnungstür öffnete und Bruno zum ersten Mal über die Schwelle trat, blieb er stehen und schnupperte lange.
Er betrachtete das Körbchen, das ich nicht geschafft hatte wegzuräumen, die Urne auf dem Regal, die Leine an der Garderobe.
Dann kam er zu mir, stupste meine Hand an und seufzte tief, als würde er sagen: „Gut, wir versuchen es.“
Ich werde nie aufhören, Toro zu vermissen.
Sein Platz in meinem Leben ist unverrückbar.
Aber neben diesem Platz ist jetzt ein weiterer entstanden, nicht als Ersatz, sondern als Fortsetzung einer Geschichte, die größer ist als ein einzelnes Leben.
Eine Geschichte von Vertrauen, von loslassen und wieder öffnen, von der absurden, schönen Entscheidung, trotz der Gewissheit des Endes immer wieder „Ja“ zu sagen.
Wenn Sie also irgendwann vor der Frage stehen, ob Sie nach einem Verlust Ihr Herz erneut einem Tier schenken können, dann denken Sie vielleicht an Toro und Bruno.
An einen alten Golden Retriever, der mich gelehrt hat, was bedingungslose Liebe ist.
Und an einen unscheinbaren Mischling aus dem Tierheim, der mir gezeigt hat, dass die Liebe zwar bricht, aber auch neu wachsen kann – manchmal gerade in den Rissen.
Und falls gerade jetzt ein leerer Hundekorb in Ihrem Wohnzimmer steht:
Räumen Sie ihn nicht vorschnell weg.
Setzen Sie sich dazu, legen Sie die Hand hinein, erinnern Sie sich.
Und wenn der Tag kommt, an dem Sie beim Vorbeigehen nicht mehr nur Schmerz fühlen, sondern auch ein leises, warmes Ziehen – dann wissen Sie, dass irgendwo da draußen vielleicht schon eine neue Seele wartet, die nicht fragt, ob Ihr Herz perfekt ist.
Nur, ob noch ein bisschen Platz darin frei ist.






