Das Fenster zur Straße | Er wartete jeden Tag vor dem Fenster – bis zum Ende. Niemand wusste, warum.

Teil 8: Die Jahre vergehen, der Blick bleibt

Zwei Winter kamen.
Drei Sommer gingen.
Und Basil blieb.

Jeden Morgen lag er unter der Kastanie.
Immer auf derselben Stelle.

Der Rücken leicht gekrümmt,
die Augen auf das dritte Fenster gerichtet.

Er wurde grau –
noch grauer als zuvor.

Sein Gang wurde schleppender,
sein Schlaf tiefer.

Aber sein Platz blieb derselbe.

Die Menschen im Viertel hatten sich an ihn gewöhnt.
Kinder nannten ihn „der Fensterschatten“.

Ein Postbote brachte ihm manchmal ein Stück Käse.
Ein Schüler legte ihm einen Schal um,
als der Frost kam.

Keiner wusste genau, wem er gehörte.
Aber jeder wusste, wohin er gehörte.

Ein älterer Herr erzählte:
„Er hat mal bei einer Frau gewohnt –
oben, im dritten Stock.

Sie ist gestorben.
Und er ist geblieben.“

Und so wurde Basil mehr als nur ein Hund.
Er wurde ein stilles Denkmal.
Ein Zeichen.
Für Treue.

Für Erinnerung.
Für etwas, das blieb,
auch wenn alles andere ging.

Manche Menschen sprachen mit ihm.
Leise.
Beichten, Gebete, kleine Geständnisse.

Als könnte dieser alte Hund
Vertrauen hüten,
wie andere ihren Garten.

Eines Tages setzte sich ein kleines Mädchen neben ihn.
Sie hatte rote Zöpfe,
ein Notizbuch im Arm,
und ein halbes Käsebrot in der Hand.

„Ich heiße Clara“, sagte sie.
„Und du bist traurig, nicht wahr?“

Basil hob langsam den Kopf.
Sah sie an.
Nicht lange.
Aber lange genug.

Clara kam ab dann jeden Nachmittag.
Setzte sich neben ihn.
Redete.

Zeichnete.
Manchmal schwieg sie einfach.

Und Basil?
Er blieb.

So verging ein weiteres Jahr.
Ein leises Jahr.
Ein zartes.

Und obwohl seine Schritte schwerer wurden,
sein Blick trüber,
sein Fell stumpfer –
blieb seine Nähe spürbar.

Die Straße gehörte ihm.
Und das Fenster auch.
Selbst wenn es längst nicht mehr geöffnet wurde.

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