Der alte Brunnenhof | Als die kranke Hündin Greta im alten Mannheimer Brunnenhof lag, veränderte sich eine ganze Nachbarschaft

🐾 Teil 6: Ein Besuch des Eigentümers

Konrad Zöllig kommt an einem Dienstag. Er ist nicht groß, aber er trägt eine Jacke, in der Platz für Entscheidungen ist. Sein Blick nimmt den Brunnen, die Decke, die Tasse auf. Er nimmt auch die Gesichter wahr, die warten, ohne zu fordern. Dietmar steht neben ihm, die Hände verschränkt. Aylin nickt knapp. Maris räuspert sich und beginnt.

Sie erzählt die Geschichte, nicht als Plädoyer, sondern als Weg, der gegangen wurde. Von einem Brunnen, der wieder spricht. Von einer Hündin, die alt ist und nicht allein sein soll. Von Nachbarn, die ihre Wohnungen verlassen haben, ohne das Haus zu verlassen. Erwin fügt zwei Sätze hinzu, die wie Nägel sind. Struwe liest einen Absatz, in dem das Wort Hof vorkommt, aber nicht das Wort Eigentum. Ilsebeth stellt Kakao auf die Bank.

Konrad hört zu. Man sieht ihm an, wie er abwägt, wie Paragrafen auf menschliche Stimmen treffen. Schließlich sagt er, dass Ruhezeiten gelten. Dass der Hof nicht zur Pflegeeinrichtung werden dürfe. Dass Verantwortung geteilt werde, nicht abgegeben. Er sagt auch, dass er seit Jahren keinen Hof gesehen habe, in dem die Leute einander beim Namen nennen.

Ein Vorschlag nimmt Gestalt. Man vereinbart Zeiten, in denen die Wache im Hof stattfindet. Man legt eine kurze Hausordnung fest, die leise ist wie ihre Wörter. Man beschließt, den Brunnen offiziell prüfen zu lassen, damit Wasser nicht nur zufällig fließt. Und man schlägt eine Bank vor, die eine Inschrift trägt, die kein Denkmal, sondern ein Versprechen ist.

Greta atmet hörbar. Zöllig tritt näher. Er ist kein Mann, der Hunde streichelt. Aber seine Hand bleibt am Rand der Decke liegen, als wolle sie dort etwas aufheben. Silex singt, einmal, hell, ohne Vibrato. Tarn und Quendel fliegen auf und setzen sich wieder. Quast kratzt am Trog, als suche er Wurzelwerk.

Später am Tag bringt Aylin eine Liste für die Wache. Namen und Stunden, die zu einem Gewebe werden. Maris schreibt ihre Nummer groß hin. Dietmar notiert eine Telefonnummer für Notfälle. Struwe bietet an, Protokoll zu führen, nicht aus Pflicht, sondern damit Sinn auf Papier steht.

Ilsebeth nimmt den Käfig ein Stück nach draußen, solange die Sonne schräg steht. Silex beobachtet den Hof, als lausche er einer Partitur. Er pickt am Gitter, wenn der Wind dreht. Er sagt in seiner Sprache etwas, das man nicht übersetzen kann, das aber in den Gesichtern Spuren hinterlässt.

Am Abend streift eine Debatte durch das Haus. Eine Mieterin aus dem Hinterhaus beklagt den Lärm. Ein Brief kündigt sich an, nicht von Dietmar, sondern von ihr. Maris spürt, wie Züge im Haus auch Gegenzüge erzeugen. Aylin legt eine Hand auf ihre Schulter. Erwin sagt, dass Dinge, die Wert haben, immer auch Kanten haben.

Greta schläft tiefer. Einmal zuckt sie, als sähe sie Treppen in der Sonne. Aylin prüft die Temperatur und findet sie mild. Maris richtet das rote Tuch. Struwe notiert, dass Wasser heute nach Nickel roch, nur ein wenig. Dietmar nickt, er habe eine Firma angerufen. Morgen würden sie den Zufluss prüfen.

Der Hof hält den Atem nicht mehr an. Er lernt, ihn zu nutzen.

Doch in der dritten Nacht kommt ein Husten, der nicht zum Wetter passt.

Scroll to Top