Der alte Brunnenhof | Als die kranke Hündin Greta im alten Mannheimer Brunnenhof lag, veränderte sich eine ganze Nachbarschaft

🐾 Teil 7: Der Husten in der Nacht

Der Husten ist trocken und nah. Aylin setzt sich sofort auf, die Uhr sagt kurz nach drei. Sie legt die Hand auf den Brustkorb, spürt den Rhythmus, zählt, vergleicht. Greta öffnet die Augen. Es ist kein Schmerz darin, eher ein Reck­en, das nicht ans Ziel kommt. Aylin gibt Tropfen, wie Dr. Neuffer es erklärte. Der Husten wird leiser, bleibt aber ein Ton im Raum.

Am Morgen steht die Prüfungsfirma im Hof. Zwei Männer mit Werkzeug und dem Blick derer, die Rohre lesen wie Landkarten. Sie nehmen das Eisenrad auf, testen den Zulauf, spülen die Leitung. Bald läuft das Wasser klar, ohne Rost, ohne zögernden Anfang. Jemand lacht leise, nicht aus Spaß, sondern aus Erleichterung.

Konrad Zöllig schickt eine kurze Nachricht. Er sei einverstanden, die Bank mit einer kleinen Plakette zu versehen, wenn die Mietergemeinschaft die Kosten trage. Er schreibt das Wort Gemeinschaft. Dietmar zeigt die Nachricht herum. Erwin holt eine Zigarette aus der Schachtel und steckt sie wieder ein. Ilsebeth wischt sich die Hände an der Schürze ab, obwohl sie nichts getragen hat.

Maris setzt sich zu Greta und hält die Tasse. Die Hündin trinkt. Silex singt ein Muster, das man inzwischen erkennt, wie ein Türschlüssel, der immer passt. Tarn und Quendel kreisen und lassen ein loses Gefieder fallen. Quast gräbt am Sims, weil Erde die Hände beruhigt, wenn man Pfoten hat.

Mittags beginnt es zu regnen, dicht und rund. Der Hof glänzt. Aylin zieht eine Plane so, dass kein Tropfen auf die Decke fällt. Struwe liest ein paar Zeilen, die ein Junge vor Jahrzehnten in ein Heft schrieb. Er sagt, man solle nicht unterschätzen, was wenige ruhige Stimmen in einem Raum bewirken.

Am Abend erscheint die Mieterin aus dem Hinterhaus. Sie ist müde von Arbeit und Misstrauen. Sie klagt nicht laut, aber ihre Sätze sind spitz. Maris hört zu, wartet den Schwung ab und lädt sie ein, sich zu setzen. Aylin reicht Tee. Erwin spricht einen halben Satz über Verlust und bricht ab. Es entsteht eine Pause, die nicht droht. Die Mieterin sagt, dass sie seit Monaten schlecht schläft, wegen anderer Dinge. Sie sieht Greta an und wird leiser.

Als die Nacht kommt, ist der Husten fort. Greta liegt ruhig. Aylin denkt, dass es manchmal nur darum geht, in der Nähe zu bleiben, wenn man nichts tun kann. Maris schiebt das rote Tuch zurecht. Ilsebeth löscht das Küchenlicht. Silex schweigt, weil Vögel die Dunkelheit kennen.

Kurz vor Mitternacht hebt Greta den Kopf. Sie schaut zum Brunnen. Sie steht auf. Langsam, aber ganz. Sie geht zwei Schritte, dann vier. Am Trog bleibt sie stehen und senkt den Kopf. Maris hält die Tasse nicht hin. Greta trinkt direkt aus dem feinen Strahl, der ohne Zögern fällt. Das Wasser bewegt sich in Ringen, klein und sauber.

Dann legt sie das rote Tuch selbst an den Rand des Brunnens, als wolle sie es dort lassen, wo etwas beginnt.

Und die Nacht hält den Atem wieder an.

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