Der Hund im Zug | Er folgte einem alten Hund in den Wald – was er fand, rührte alle zu Tränen

Teil 9 – Abschied mit Versprechen

Der Mai bringt Licht – aber nicht mehr in Moritz’ Augen.
Sie sind nun matt, milchig an den Rändern, wie zwei Teiche, in denen das Leben langsamer geworden ist.
Er frisst kaum noch. Die Beine zittern beim Aufstehen. Doch wenn Walter kommt, hebt sich noch die Schnauze – ganz leicht.

Walter sitzt jede Nacht länger bei ihm.
Er legt seine Hand auf die warme Flanke, zählt das langsame Heben und Senken.
„Noch ein paar Fahrten, Bub. Ein paar gute Fahrten.“

Die Tierärztin kommt zur Hütte – sie setzt sich wortlos neben ihn.
„Es wird nicht besser, Herr Brehm.“
Walter nickt. Sagt nichts.
Seine Hände ruhen auf Moritz’ Rücken wie ein alter Lokführer auf dem Hebel seiner letzten Lok.

Am nächsten Morgen regnet es.
Walter holt die alte Decke aus der Truhe – die, in die Elisabeth früher ihre Knie wickelte.
Er legt sie Moritz unter. Stellt eine Schale mit Wasser daneben. Und einen Zettel.

Darauf steht:
„Ich bin gleich zurück. Ich hab dir was versprochen.“

Er geht zum Bahnhof.
Nicht um zu reisen – sondern um zu handeln.
Er spricht mit der Bürgermeisterin. Zeigt ihr ein Konzept, das er nachts aufgeschrieben hat, in krakeliger Schrift.
„Bahnhof der Erinnerungen“ – eine offene Hütte für Kinder, alte Menschen, Geschichten und Hunde.

„Ich habe keine Familie“, sagt er. „Aber ich will was hinterlassen. Für ihn. Und für sie.“

Zwei Tage später kommen Helfer.
Sie reparieren das Dach der Hütte. Streichen die Fensterrahmen.
Ein Tischler bringt eine neue Bank. Und Lara malt mit bunten Buchstaben ein Holzschild:

„Für Elisabeth, Moritz und alle, die warten.“

Walter trägt Moritz hinaus in die Sonne.
Setzt sich mit ihm auf die Bank.
Der Hund atmet ruhig, sein Körper schwer, sein Herz langsam.
Walter hält ihn. Stundenlang.
Er erzählt leise. Vom ersten Kuss im Winter. Vom Gleis 3 in Kassel. Von einer Frau, die Briefe schrieb ohne Datum.

Moritz stirbt in seinen Armen.
Ohne Laut. Ohne Angst.
Mit einem letzten, flachen Atemzug – und dem Blick auf Walters Gesicht.

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