Die schönste Lüge meines Lebens: Warum eine Rechnung über null Euro mich unendlich reich machte

Es war genau ein Jahr her, seit ich die dreisteste Lüge meiner Karriere erzählt hatte. Und wie das Leben so spielt, haben Lügen meistens kurze Beine. Meine jedoch hatte vier Winterreifen und fuhr hoffentlich immer noch sicher durch die Stadt.

Der November war in diesem Jahr noch unbarmherziger als im letzten. Der Wind pfiff durch die Ritzen des alten Rolltores meiner Werkstatt, und die Kälte kroch mir in die Knochen, tief hinein bis in die Bandscheiben.

Meine Hände waren steif, die Fingergelenke schmerzten bei jedem Griff zur Ratsche. Es war die Zeit im Jahr, in der jeder Kunde „nur mal schnell“ noch die Winterreifen draufgezogen haben wollte, bevor der erste Schnee fiel. Hektik, Stress und nasse Autos, die von der Hebebühne tropften.

„Meister, Telefon!“, rief Fabian aus dem Büro. Er war immer noch bei mir, hatte inzwischen etwas mehr Ahnung, aber immer noch das Talent, mir im falschen Moment im Weg zu stehen. „Nicht jetzt!“, bellte ich zurück, während ich mit einem festgerosteten Bremssattel an einem Audi kämpfte. „Sag ihnen, wir sind bis Januar ausgebucht.“

Ich war müde. Nicht nur die Art von Müdigkeit, die man nach acht Stunden Arbeit spürt. Es war eine tiefe Erschöpfung. Die Bilanz des Jahres war durchwachsen gewesen, die Energiekosten für die Werkstatt waren explodiert, und mein Rücken meldete sich inzwischen nicht mehr nur bei Wetterumschwüngen, sondern war ein dauerhafter, pochender Begleiter. Ich hatte mich in den letzten Monaten oft gefragt, wie lange ich das hier noch machen konnte. Vielleicht war es Zeit, den Schraubenschlüssel an den Nagel zu hängen.

Dann hörte ich es.

Es war ein Geräusch, das ich aus Tausenden heraushören würde. Ein Rasenmäher, der Kieselsteine hustet – aber diesmal hustete er rhytmischer, gesünder. Ein alter Motor, der kämpfte, aber gewann. Ich ließ den Bremssattel los und wischte mir die öligen Hände an der Hose ab. Ich ging zum Tor.

Draußen, im grauen Nieselregen, stand er. Der Kleinwagen, Baujahr 2001. Er hatte eine kleine Delle mehr am Kotflügel und der Lack war stumpf vom Streusalz, aber er lief. Der Motor schnurrte im Leerlauf so ruhig, wie es für dieses Modell eben möglich war. Die Fahrertür öffnete sich.

Ich hatte erwartet, die junge Frau wiederzusehen. Die mit den Ringen unter den Augen und dem zu großen Kittel. Aber die Frau, die ausstieg, wirkte anders.

Sie trug einen ordentlichen Wintermantel, passend geschnitten. Ihre Haare waren nicht hastig zurückgebunden, sondern lagen ordentlich. Aber das Wichtigste waren ihre Augen. Der gehetzte Blick eines Tieres, das in die Enge getrieben wurde, war verschwunden. Stattdessen lag dort eine ruhige Entschlossenheit.

Sie lächelte, als sie mich sah. „Guten Tag, Meister.“

Ich brummte nur. Ich bin nicht gut in großen Begrüßungsszenen. „Der TÜV ist fällig“, stellte ich fest und nickte auf die Plakette am Nummernschild. Sie war im Oktober abgelaufen.

„Das auch“, sagte sie und trat näher. Sie wirkte nervös, aber auf eine gute Art. „Aber eigentlich bin ich hier, weil ich einen Termin brauche. Für eine große Inspektion. Und… die Bremsen quietschen ein wenig.“

Ich runzelte die Stirn. „Inspektion? Junge Frau, bei dem Restwert dieses Wagens ist eine große Inspektion so viel wert wie das ganze Auto. Ölwechsel reicht. Fahren Sie ihn, bis er auseinanderfällt.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Er muss halten. Er hat uns durch das Jahr gebracht. Er hat mich jeden Tag zur Arbeit gebracht, pünktlich. Er hat meinen Sohn zur Kita gebracht, jeden Morgen. Dieses Auto ist…“, sie stockte kurz und strich fast zärtlich über das kalte Blech der Motorhaube, „…dieses Auto ist der Grund, warum ich noch stehe.“

Ich seufzte und kratzte mich am Hinterkopf. „Na schön. Fabian!“, brüllte ich nach hinten. „Fahr den Audi raus. Wir haben einen Patienten.“

Während Fabian den Wagen auf die Bühne fuhr, bat ich sie ins Büro. Es roch nach altem Kaffee und Gummi. Ich setzte mich hinter meinen Tresen, der unter Bergen von Papierkram fast zusammenbrach. „Also“, sagte ich und zog einen Auftragszettel hervor. „TÜV, AU, Ölwechsel. Bremsen schauen wir uns an. Sonst noch was?“

„Die Heizung wird auf der Beifahrerseite nicht richtig warm“, sagte sie. Ich notierte es. Dann sah ich sie an. „Sie wissen, dass das nicht billig wird? Keine… Rückrufaktionen dieses Mal“, fügte ich hinzu und versuchte, meinen Blick streng zu halten.

Sie sah mir direkt in die Augen. Und in diesem Moment wusste ich, dass sie es wusste. Sie hatte es immer gewusst. „Ich weiß“, sagte sie leise. „Ich habe gespart. Jeden Monat ein bisschen. Ich habe die Probezeit bestanden. Ich habe jetzt einen unbefristeten Vertrag im Klinikum. Und ich mache Fortbildungen am Wochenende.“

Sie zog ihr Portemonnaie heraus. Es war nicht mehr das abgewetzte Ding vom letzten Jahr. „Ich möchte bezahlen. Alles. Jeden Cent. Und ich möchte, dass Sie nichts auslassen.“

Ich nickte langsam. „Gut. Lassen Sie den Schlüssel da. Morgen Abend ist er fertig.“

Der nächste Tag war die Hölle. Zwei Lieferanten sagten ab, ein Kunde beschwerte sich lautstark über eine Rechnung für eine Arbeit, die wir definitiv korrekt ausgeführt hatten, und mein Rücken brachte mich fast um. Ich bewegte mich wie ein 80-Jähriger, krümmte mich bei jedem Schritt.

Als ich mich an den Kleinwagen machte, schickte ich Fabian in die Pause. Ich wollte das selbst machen. Es war irrational, aber ich fühlte mich für dieses Stück Schrott verantwortlich. Ich ließ das Öl ab. Es war schwarz, aber nicht schlammig. Sie hatte den Stand regelmäßig kontrolliert, das sah man. Die Reifen – meine „gebrauchten“ Winterreifen – waren noch gut.

Als ich die Bremsen prüfte, sah ich es. Hinten links klemmte der Zylinder. Nichts Wildes, aber es musste gemacht werden. Und der Auspuff hatte ein kleines Loch. Ich schweißte das Loch. Ich gängige die Bremse. Ich tauschte Filter, Zündkerzen und füllte Frostschutz nach.

Ich arbeitete ruhig, konzentriert. Der Schmerz im Rücken trat in den Hintergrund, verdrängt durch die meditative Tätigkeit des Schraubens. Es gibt eine Befriedigung darin, Dinge zu reparieren, die andere wegwerfen würden. Man gibt ihnen Würde zurück.

Als ich fertig war, war es draußen schon dunkel. Der Wagen stand da, frisch gewaschen (das hatte Fabian erledigt, der gute Junge), und glänzte im Licht der Werkstattlampen.

Klicke auf die Schaltfläche unten, um den nächsten Teil der Geschichte zu lesen. ⏬⏬

Scroll to Top