Ich sah sie verständnislos an.
„Was… ist das?“
„Spenden. Für die stillen Preisnachlässe, die Sie gewähren.“ Ihre Stimme wurde weicher. „Unsere Kundschaft ist nicht dumm, Herr Bergmann. Und manche erkennen Güte schneller als man denkt.“
Sie schob mir den Umschlag zu.
„Es steht Ihnen frei, das weiterzuführen – solange niemand bloßgestellt wird und die Kassenabrechnung stimmt.“ Dann beugte sie sich vor, senkte die Stimme und fügte hinzu: „Ich selbst schiebe übrigens jeden Monat etwas hinein. Nur damit Sie’s wissen.“
Ich starrte sie an, sprachlos. Ich, der seit Jahren unbeobachtet glaubte zu handeln, wurde in Wahrheit die ganze Zeit gesehen.
Nur eben von den richtigen Menschen.
Im Laufe der folgenden Wochen wurde das improvisierte Hilfsnetzwerk noch feiner. Die Kundinnen und Kunden achteten diskret aufeinander. Manchmal beobachtete ich, wie jemand ein paar Euro mehr zahlte, ohne es zu erklären. Oder wie eine Stammkundin einer Fremden zuflüsterte: „Heute ist, glaube ich, wieder so ein Reißverschluss-Tag.“
Es war, als hätte sich unsere kleine, graue Stadt heimlich entschlossen, leuchtender zu werden.
Und dann kam der Tag, an dem mich ein Brief erreichte.
Kein Absender.
Nur mein Name.
Drinnen lag ein Foto.
Darauf: Luis – in voller Uniform, lächelnd, neben einem Rettungswagen. Und daneben ein kleiner Junge, vielleicht zwölf, mit Verband am Arm und einer viel zu großen Decke um die Schultern.
Auf der Rückseite stand:
„Manchmal rettet man Leben, die man nie sieht. Danke für damals.“
Ich hielt das Foto lange in der Hand. Länger, als ein alter Mann zugeben würde.
Und ich wusste:
Diese Geschichte war noch nicht zu Ende.
Denn solange irgendwo ein Reißverschluss „klemmt“, wird es meine Aufgabe sein, ihn passend zu machen, für genau den Menschen, der ihn nötig hat.






