Emil unter dem Apfelbaum | Er war alt, krank und vergessen – bis eine Frau ihm ein echtes Zuhause schenkte.

Teil 6 – Wenn Geld nicht alles ist

Die erste Mahnung kam mit der Dezemberpost.

„Erinnerung: Abschlagszahlung für Heizöl 2025 – fällig am 15.01.“

Liselotte legte den Brief neben den Napf mit Emils Schmerztabletten.

Sie nahm ihre Brille ab, atmete tief durch.

Dann machte sie sich einen Kamillentee – stark, fast bitter.

Emil lag auf dem Teppich vor dem Ofen.
Der alte Gusseiserne war seit Tagen nicht mehr geheizt worden.

Nur das kleine Elektrogerät in der Ecke surrte, unermüdlich.
Es reichte gerade so, um den Raum frostfrei zu halten.
„Wir wärmen uns halt gegenseitig, gell?“, flüsterte sie.


Am nächsten Morgen ging sie ihre Papiere durch.
Rentenauszug, Nebenkosten, Tierarztrechnungen.

Ein Zettel lag ganz oben:
“Futterergänzung Gelenk-Aktiv Plus, 38 Euro im Monat – bisher gute Wirkung.”
Ein anderer:
“Kostenübernahme durch Tierschutzfonds: max. 50 %, Antrag läuft.”

Liselotte lächelte schmal.
Sie hatte nie viel gehabt.

Aber sie hatte gelernt, mit wenig viel zu machen.
Und für Emil?
Da reichte ihr das Wenige.


Am Freitag traf sie sich mit Erika, ihrer ältesten Freundin, im Café „Süße Zeit“.
Erika bestellte Schwarzwälder Kirschtorte.

Liselotte nahm nur Tee.
„Und dein Hund?“, fragte Erika.
„Kostet mich meine Heizung“, sagte Liselotte trocken, dann lachte sie.

Erika nickte langsam.
„Dann hast du’s richtig gemacht.“


Zuhause setzte sie sich an den Küchentisch und schrieb per Hand:
“Anfrage an PetCare Sozialfonds – Unterstützung für Tierarzt-Fahrten in ländlichen Regionen.”

Sie wollte keine Almosen.
Nur Optionen.
Denn sie wusste:
Es ist nicht peinlich, um Hilfe zu bitten, wenn es nicht für sich selbst ist.


Am Sonntag kam die Postbotin mit einem kleinen Päckchen.
Kein Absender.

Darin: ein Umschlag mit 50 Euro und eine Karte:
“Für Emil. Weil Hoffnung nicht heizt, aber Herzen wärmt.”

Liselotte stand lange in der Tür.
Der Himmel war grau.
Aber ihr Herz war es nicht.


Sie fuhr in die Apotheke und kaufte das gute Futteröl für Gelenke – mit Omega-3 und Grünlippmuschel.
Dazu eine kleine Tube Pflegesalbe für gereizte Ballen.

Die Verkäuferin fragte: „Alt, Ihr Hund?“
Liselotte nickte.
„Aber sehr lebendig.“


Zuhause massierte sie ihm vorsichtig die Pfoten ein.
Emil leckte sich einmal über die Nase, dann legte er seinen Kopf auf ihr Knie.

Sein Blick sagte mehr als Dankbarkeit.
Er sagte: „Ich weiß. Und ich bleibe.“


In ihr Notizbuch schrieb sie später:
“Salbe wirkt gut. Heizkosten steigen. Emil läuft etwas besser. Ich auch.”

Und darunter – ganz klein, in zittriger Handschrift:
“Wenn Geld knapp ist, zählt jeder Blick doppelt.”

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