🐾 Teil 7: Besuch auf Zeit
Die Tierklinik roch nach Desinfektionsmittel, Gummi und nassem Fell.
Georg saß auf einem harten Stuhl in einem schmalen Warteraum.
Ein Kalender mit Tierfotos hing schief an der Wand, daneben stand eine grüne Gießkanne auf einem Fensterbrett.
Draußen sank die Sonne langsam hinter die Dächer von Wetzlar.
Er hatte stundenlang dort gewartet.
Er trank schlechten Automatenkaffee, las ein Magazin von 2018 und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
Aber innerlich war er aufgewühlt.
Einmal kam die Tierärztin, eine Frau mit grauen Locken und freundlichen Augen.
Sie erklärte ruhig, dass Basko dehydriert war, erschöpft, aber ohne innere Verletzungen.
Die Pfote war geprellt, nicht gebrochen.
„Er braucht Ruhe, Wärme und jemanden, der bei ihm bleibt.“
Dann sah sie Georg an.
„Haben Sie jemanden, der sich kümmert?“
Er nickte.
„Ich.“
Noch am selben Abend fuhren sie gemeinsam zurück.
Ein Assistent half, Basko vorsichtig in eine Tragetasche zu legen, die sich wie ein Nest anfühlte.
Georg trug sie selbst.
Langsam, Schritt für Schritt, die Treppe hinauf, durch die Wohnungstür, hinein in die Stille seines kleinen Heims.
Er legte Basko auf die Wolldecke neben dem Heizkörper.
Der Hund rollte sich kaum merklich zusammen, atmete tief.
Georg setzte sich in seinen alten Sessel, schaute eine Weile zu.
Dann stand er auf, machte Tee.
Er schnitt zwei Scheiben Brot, bestrich sie mit Butter.
Eine legte er auf einen kleinen Teller für sich.
Die andere zerbröselte er in eine Schale und stellte sie vorsichtig neben den Hund.
„Wir fangen langsam an, was meinst du?“
Basko hob den Kopf.
Ein kurzer Blick.
Ein Zucken im Ohr.
Am nächsten Morgen stand Georg früher auf als sonst.
Er ging zuerst zum Fenster, wie früher, aber diesmal nicht, um hinauszusehen, sondern um sicherzugehen, dass Basko noch da war.
Er war da.
Schlief tief, der Kopf auf der Decke, die Nase leicht feucht.
Georg stellte eine Tasse Kaffee ans Fenster, die andere neben den Sessel.
Dann setzte er sich und begann zu reden.
Nicht laut.
Nicht dramatisch.
Einfach so, als wäre da jemand, der zuhören wollte.
„Ich war früher nicht besonders gesellig“, sagte er.
„Ich habe gearbeitet, kam nach Hause, aß zu Abend. Lotte war der Teil von uns, der Türen geöffnet hat. Ich habe sie wieder geschlossen.“
Basko lag da, unbewegt.
Aber Georg hatte das Gefühl, dass jedes Wort irgendwo ankam.
Die Tage wurden zu einem neuen Rhythmus.
Frühstück, kleine Spaziergänge durch den Hof, viel Schlaf, noch mehr Stille.
Und zwischen all dem:
Vertrautheit.
Georg gewöhnte sich daran, nicht mehr allein zu essen.
Er stellte immer eine zweite Schüssel hin, redete beim Kochen, summte beim Abwasch.
Einmal, beim Mittagessen, tropfte etwas Suppe auf den Boden.
Früher hätte er es sofort weggewischt.
Jetzt wartete er, bis Basko es fand.
Der Hund schleckte mit der Zunge über die Fliese, langsam, genüsslich.
Georg lachte.
Nicht laut.
Aber er lachte.
Es war das erste Mal seit langer Zeit.
Er nahm einen alten Wollpullover aus dem Schrank.
Legte ihn über den Sessel gegenüber.
„Falls du Gesellschaft brauchst, wenn ich einkaufen gehe.“
Einmal, als er zurückkam, fand er Basko tatsächlich vor dem Sessel sitzend.
Als hätte er gewartet.
Die Nachmittage verbrachten sie oft am Fenster.
Nicht draußen, nicht unterwegs.
Einfach nur da.
Georg zeigte ihm die Tauben auf dem Dach, erzählte von den Nachbarn, von früher, von Lottes Garten.
Er sprach über Max, den kleinen Terrier, wie der immer gebellt hatte, wenn der Postbote kam.
„Du bellst gar nicht“, sagte er zu Basko.
„Du hörst einfach zu.“
Der Hund wedelte kurz mit dem Schwanz.
Einmal kam Clara vorbei.
Sie brachte eine Tüte mit Leckerli und ein altes Hundekissen.
„Ich weiß nicht, wie lange ich ihn dir lassen kann“, sagte sie.
„Aber ich danke dir, dass du da bist.“
Georg nickte.
„Solange er bleiben will, ist er willkommen.“
Clara sah sich um.
„Er wirkt ruhiger hier. Und Sie auch.“
„Vielleicht braucht man manchmal nur ein warmes Fell, um den Kopf wieder zu heben.“
Clara lächelte, dann verabschiedete sie sich.
Am Abend lag Basko auf seinem Platz.
Georg saß mit einem Buch im Sessel, las halblaut.
Er wusste nicht, ob der Hund zuhörte.
Aber es fühlte sich gut an, die Stille mit Worten zu füllen.
Als die Uhr elf schlug, stand Georg auf, beugte sich hinunter.
Er legte die Hand auf Basko.
„Du bist nur zu Besuch. Ich weiß das.
Aber du hast diese Wohnung verändert.
Und mich auch.“
Basko blinzelte.
Georg nahm die Tasse, räumte sie in die Spüle, zog sich um.
Bevor er das Licht löschte, ging er noch einmal zum Fenster.
Er sah hinaus in die Dunkelheit.
Kein Licht im gegenüberliegenden Haus.
Kein Geräusch.
Aber hinter ihm atmete jemand.
Langsam, ruhig.
Und das war genug.
Doch als der nächste Morgen kam, wartete am Fenster etwas, das Georg nicht erwartet hatte.