🐾 Teil 8: Abschied auf vier Pfoten
Der Morgen begann wie viele zuvor.
Georg war früh wach, der Geruch von Kaffee zog durch die kleine Wohnung.
Basko lag auf seiner Decke, die Augen halb geöffnet, die Schnauze grau und ruhig.
Georg stellte die Tasse ans Fenster, setzte sich in seinen Sessel und blickte hinaus.
Der Himmel war klar, ein milder Sonnenschein fiel über den Hof.
Ein seltener Tag im Februar, fast wie ein Vorfrühling.
Dann klopfte es an der Tür.
Zwei kurze, entschlossene Schläge.
Georg stand auf, öffnete.
Vor ihm stand Clara.
Sie hatte einen dicken Wollschal um den Hals gewickelt, in der einen Hand eine Tragetasche, in der anderen eine Leine.
„Guten Morgen, Herr Feldmann“, sagte sie leise.
„Ich… ich glaube, ich kann ihn heute wieder mitnehmen.“
Georg nickte langsam.
Er hatte es gewusst.
Irgendwann musste dieser Moment kommen.
„Natürlich“, sagte er.
„Warten Sie einen Moment.“
Er ging zu Basko, kniete sich hin.
Der Hund sah ihn an, als wüsste er Bescheid.
„Na, mein Freund. Es war schön, nicht?“
Er fuhr sanft durchs Fell.
„Ich hätte dich gern behalten. Aber vielleicht gehörst du doch noch woanders hin.“
Clara trat ein, setzte sich vorsichtig neben sie.
„Die Heimleitung hat jetzt doch erlaubt, dass er wieder mit zu meiner Tante darf.
Ein Arzt meinte, Tiere helfen manchmal besser als Tabletten.“
Georg lächelte schwach.
„Da hat er recht.“
Sie legte die Leine an, langsam und mit Bedacht.
Basko stand mühsam auf, seine Bewegungen noch etwas steif.
Aber er zog nicht zurück.
Er wartete.
Georg öffnete die Tür, machte Platz.
„Pass gut auf ihn auf“, sagte er.
Clara nickte.
„Und danke. Für alles.“
Sie gingen.
Langsam durch den Hof, Schritt für Schritt.
Basko drehte sich einmal um, schaute kurz.
Dann waren sie weg.
Georg schloss die Tür.
Die Wohnung war still.
Zu still.
Er setzte sich ans Fenster.
Die zweite Tasse Kaffee blieb unangerührt.
Der Teppich lag leer.
Die Decke gefaltet.
Und der Platz am Heizkörper, kalt.
Er verbrachte den Tag schweigend.
Las nicht, schrieb nicht.
Er saß nur da, hörte das Ticken der Uhr und das leise Rauschen der Heizung.
Am Abend, als es dunkel wurde, zog er den Vorhang zurück.
Und da war es.
Ein Licht im Fenster gegenüber.
Ein gelbwarmer Schimmer, der sich auf dem Fensterbrett spiegelte.
Und in der Mitte, eine Silhouette.
Ein Körper, eingerollt, mit dem Kopf auf den Pfoten.
Basko.
Georg atmete tief durch.
Er trat näher ans Glas, legte die Stirn dagegen.
Der Hund hob den Kopf.
Ein Blick.
Kein Laut.
Aber es reichte.
Georg lächelte.
Er ging in die Küche, schnitt sich eine Scheibe Brot ab, setzte sich wieder an den Tisch.
Die Welt war ein bisschen weiter geworden.
Am nächsten Tag war das Fenster leer.
Georg dachte, vielleicht war Basko spazieren.
Oder Clara war gerade da.
Aber auch am Tag darauf blieb das Fenster leer.
Und am dritten Tag.
Kein Licht.
Keine Bewegung.
Nur Vorhänge, die halb zugezogen waren.
Georg ging im Zimmer auf und ab.
Er trat hinaus in den Hof, stellte sich vor das Haus gegenüber.
Keine Antwort auf sein Klopfen.
Die Tür verschlossen.
Am Nachmittag kam der Briefträger.
Georg sprach ihn an.
„Haben Sie in letzter Zeit dort drüben jemanden gesehen?“
Der Mann schüttelte den Kopf.
„Seit ein paar Tagen nicht mehr. Das Licht war aus.“
Georg ging zurück.
Er setzte sich an seinen Sessel, starrte lange auf das Fenster.
Es blieb leer.
Die Nacht war unruhig.
Er drehte sich im Bett, stand auf, ging in die Küche, trank Wasser.
Aber nichts half.
Er hatte sich an das Atmen gewöhnt.
An das Geräusch von Pfoten.
An die Wärme.
Jetzt war alles wieder wie vorher.
Und doch nicht.
Denn da war eine Leere, wo vorher Stille gewesen war.
Eine Unruhe, wo früher Frieden geherrscht hatte.
Und eine Frage, die nicht losließ:
Wohin war Basko verschwunden?
Am vierten Tag beschloss Georg, Antworten zu suchen, selbst wenn er dafür Wege gehen musste, die er längst vergessen glaubte.