Feuer und Fell | Ein namenloser Hund taucht nach einem Brand auf und führt die Feuerwehr zu einer vergessenen Wahrheit

🐾 Teil 5: Durch die Flammen

Die Hitze schlug uns entgegen wie eine Faust. Der Schuppen stand in voller Glut, Holz knackte, Dachziegel platzten. Der Rauch brannte in Hals und Augen, doch mitten in diesem Chaos hörten wir die Stimme. Schwach, aber eindeutig. Ein menschlicher Ruf, halb verschluckt von den Flammen.

Branko war bereits hineingesprungen. Wir sahen sein Fell kurz aufleuchten, dann verschwand er in der Schwärze. Hanno riss die Tür weiter auf, trotz der sengenden Hitze, und schrie nach Atemschutz. Gudrun und Tjark waren schon dabei, die Schläuche auszulegen, während ein weiterer Kamerad Wasser zum Strahlrohr zog.

Es gab keinen Moment des Zögerns. Wo eine Stimme war, da war ein Leben.

Hanno stürzte sich hinein, der Qualm raubte ihm sofort die Sicht. Er kroch, tastete, spürte den Boden vibrieren unter den Flammen. Er rief Brankos Namen, doch nur das Knacken des Feuers antwortete. Dann, plötzlich, ein Bellen. Kurz, bestimmend.

Er kroch weiter, bis er auf etwas Hartes stieß. Ein Balken war gefallen, verkohlt, noch glühend. Dahinter, im Schatten, bewegte sich etwas.

Branko stand da, die Zähne um den Stoff einer Jacke geschlossen. Er zog, zerrte, schob. Unter dem Balken lag ein Mensch. Eine Frau, kaum mehr als eine Silhouette, rußverschmiert, das Gesicht halb verdeckt. Ihre Augen waren geschlossen, doch sie atmete.

„Gudrun! Hilfe!“ Hannos Stimme war kaum hörbar, doch sie erreichte die anderen. Gemeinsam hoben sie den Balken an, gerade genug, um den Körper herauszuziehen. Branko wich nicht von der Seite, als hätte er beschlossen, diesen einen Auftrag zu erfüllen, koste es ihn, was es wolle.

Wir schafften sie ins Freie. Kalte Nachtluft schlug uns entgegen, als wir aus dem Schuppen taumelten. Die Frau hustete, röchelte, rang nach Atem. Der Notarzt, der inzwischen eingetroffen war, kniete sich sofort neben sie.

„Sie lebt“, sagte er, und in diesem Satz lag mehr Hoffnung, als wir in diesem Moment zu glauben gewagt hatten.

Branko lag daneben, schwer atmend, die Flanken zitterten. Sein Fell war an den Spitzen versengt, eine Pfote blutete. Doch er ließ die Frau keine Sekunde aus den Augen.

Gudrun kniete neben ihn. „Braver Junge“, flüsterte sie und legte ihre Hand an seine Stirn. Er blinzelte, als würde er den Klang ihres Trostes in sich speichern.

Die Frau wurde auf die Trage gelegt. Als das Blaulicht den Hof erhellte und der Krankenwagen anfuhr, sah Hanno ihr Gesicht klarer. Unter Ruß und Brandwunden erkannte er Züge, die ihm vertraut vorkamen.

„Das ist sie“, sagte er heiser. „Das ist Klara Quast.“

Die Stille, die diesen Namen umgab, war schwerer als der Rauch.

Wir fuhren zurück, erschöpft und aufgewühlt. Der Hund blieb bei uns, trotz seiner Verletzungen. Wir wussten, dass er behandelt werden musste, doch er wich nicht von der Spur des Krankenwagens. Erst als dieser verschwunden war, ließ er sich nieder und legte den Kopf auf den Asphalt.

In den folgenden Stunden verteilten sich die Aufgaben. Gudrun kümmerte sich um Brankos Wunden, wusch das Fell, bandagierte die Pfote so gut es ging. Er ließ alles geschehen, ohne zu knurren oder zu weichen. Es war, als hätte er verstanden, dass seine Arbeit fürs Erste getan war.

Doch die Fragen blieben. Warum war Klara in diesem Schuppen gewesen. Warum hatte niemand gewusst, dass sie noch in der Stadt war. Und was war in jener Nacht am Brunnensteig wirklich geschehen.

Am nächsten Tag kam die Nachricht aus dem Krankenhaus. Klara lebte, aber sie war schwach. Rauchvergiftung, Verbrennungen, Erschöpfung. Die Ärzte wussten nicht, wann sie sprechen könnte.

Wir saßen wieder im Gerätehaus, das Tagebuch auf dem Tisch, Branko zu unseren Füßen. Hanno starrte auf die geschwärzten Seiten. „Sie wollte gefunden werden. Dafür hat sie den Hund zurückgelassen.“

Gudrun nickte. „Aber warum erst jetzt. Warum dieses Schweigen all die Jahre.“

Niemand hatte eine Antwort.

Branko hob den Kopf, als draußen eine Autotür zuschlug. Schritte näherten sich. Die Tür zum Gerätehaus öffnete sich, und Hauptkommissar Dorn trat ein. Sein Blick war ernst, kälter als gewöhnlich.

„Wir müssen reden“, sagte er. „Es geht um Klara Quast.“

Branko knurrte leise, tief aus der Brust, als hätte er etwas geahnt, das wir noch nicht wussten.

Und in Hannos Herz breitete sich ein Gefühl aus, das dunkler war als der Rauch der Nacht.

Manche Wahrheiten warten nicht, sie holen dich ein.

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