Hilde und das Hundetaxi | Vom verstaubten Schuppen zum Herzstück der Nachbarschaft – die Geschichte von Hilde und Fritz

🐾 Teil 6: Das unerwartete Angebot

Der Morgen begann leise.
Die Sonne fiel schräg ins Wohnzimmer, und auf dem Teppich lag ein warmer Streifen Licht, in dem Fritz mit halb geschlossenen Augen ruhte.
Hilde saß daneben, den Kaffeebecher in der Hand, und strich mit dem Fuß leicht über sein Fell.
Der Husten war in der Nacht weniger geworden, aber die Müdigkeit blieb in seinem Blick.

Ein Klopfen an der Wohnungstür riss sie aus den Gedanken.
Als sie öffnete, standen Anna, Max und Jonas davor.
Anna hielt eine Thermoskanne, Max eine kleine Tüte mit Gebäck, Jonas hatte sein Werkzeug in einer Stofftasche.

„Wir haben geredet“, begann Anna ohne Umschweife.
„Wir könnten das Hundetaxi für eine Weile übernehmen. Sie bleiben bei Fritz.“
Ihre Stimme war fest, aber ihre Augen suchten Hildes Zustimmung.

Hilde spürte, wie ihr Herz kurz schneller schlug.
Die Vorstellung, die Kinder allein fahren zu lassen, gefiel ihr nicht.
„Es ist nicht nur Treten und Lenken“, sagte sie. „Man muss die Hunde kennen, mit den Leuten reden, wissen, wann man besser umkehrt.“

„Genau deshalb haben wir Sie die ganze Zeit beobachtet“, entgegnete Jonas.
„Wir wissen, wie Sie es machen. Und wenn etwas ist, rufen wir sofort an.“
Max nickte und zog aus seiner Jackentasche einen kleinen Block mit Notizen. „Ich habe alle Termine und Adressen aufgeschrieben.“

Hilde sah von einem zum anderen.
Ihre Sorge mischte sich mit einer Wärme, die sie lange nicht mehr so stark gespürt hatte.
„Ihr meint das ernst.“
„Sehr ernst“, sagte Anna.

Nach kurzem Zögern willigte Hilde ein, zumindest einen Probelauf zu machen.
Sie verabredeten sich für den nächsten Morgen, und die Kinder gingen zurück in den Hof, um das Rad vorzubereiten.
Fritz hob kurz den Kopf, als hätte er verstanden, worum es ging.

Am nächsten Tag stand Hilde am Fenster, während die drei das Hundetaxi aus dem Schuppen schoben.
Jonas prüfte die Reifen, Anna legte die Decke ordentlich in den Kasten, Max befestigte den Spanngurt.
Sie wirkten konzentriert, fast erwachsen.

Der erste Auftrag war Frau Voss mit dem Dackel.
Hilde beobachtete, wie Anna sich zu dem Hund herunterbeugte, leise sprach und ihn dann sanft in den Kasten hob.
Jonas fuhr ruhig, Max lief nebenher und hielt den Blick auf das Tier.

Als sie zurückkamen, war der Hund entspannt, und Frau Voss lachte, als sie Hilde durchs Fenster zuwinkte.
„Hat geklappt“, rief Anna nach oben.
Hilde nickte, sagte aber nichts – sie wollte nicht, dass ihre Stimme die Rührung verriet.

Die nächsten Tage liefen ähnlich.
Die Kinder übernahmen Fahrten zu Tierarztterminen, Hundesalons und sogar einmal zu einem kleinen Geburtstagsfest im Park.
Jedes Mal kamen sie pünktlich zurück, die Hunde sicher und die Besitzer dankbar.

Hilde begann, den Hofgeräuschen zu lauschen, wenn sie losfuhren oder ankamen.
Sie merkte, dass ihre anfängliche Unruhe langsam nachließ.
Es war, als ob das Hundetaxi ohne sie nicht verloren ging, sondern weiterlebte und vielleicht sogar wuchs.

Eines Nachmittags klopfte es wieder an ihrer Tür.
Jonas hielt ein kleines, ordentlich gefaltetes Kuvert in der Hand.
„Das war eben im Briefkasten vom Hundetaxi“, sagte er. „Ohne Absender.“

Hilde öffnete es vorsichtig.
Innen lag ein Zettel: Für die Fahrten, die ihr macht. Danke, dass es euch gibt.
Dazu mehrere Scheine, zusammen mehr Geld, als sie für Farbe und Material bisher ausgegeben hatten.

Für einen Moment konnte Hilde nichts sagen.
Sie legte den Zettel auf den Tisch, strich ihn glatt und schaute die drei Kinder an.
„Das ist nicht nur für das Rad“, sagte sie schließlich. „Das ist für das Vertrauen, das ihr in die Leute gesetzt habt. Und sie in euch.“

Anna lächelte, Max sah ein wenig verlegen auf den Boden, und Jonas nickte still.
Fritz hob den Kopf, als hätte er den Ton in Hildes Stimme bemerkt.
Hilde ging zu ihm, kniete sich nieder und legte eine Hand an seinen Hals.

„Wir machen weiter“, sagte sie leise.
Und zum ersten Mal seit Tagen fühlte es sich nicht so an, als müsse sie allein alles tragen.

In dieser Nacht schlief Hilde ein, während Fritz ruhig atmete und das Hundetaxi unten im Schuppen auf den nächsten Morgen wartete.

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