🐾 Teil 7: Das wachsende Hundetaxi
Das Kuvert mit dem Geld lag mehrere Tage auf Hildes Küchentisch.
Hilde nahm es immer wieder in die Hand, strich über das Papier, als müsse sie sich vergewissern, dass es wirklich da war.
Es war mehr, als sie sich je erhofft hatte – genug, um nicht nur die laufenden Fahrten zu sichern, sondern auch etwas Neues zu wagen.
An einem sonnigen Vormittag saßen Hilde, Anna, Max und Jonas um den Tisch im Hof.
„Wir könnten ein zweites Gefährt kaufen“, schlug Jonas vor.
„Eines, das größer ist, mit einer Plane gegen Regen.“
Anna nickte begeistert. „Und vielleicht mit einer Rampe, damit alte Hunde nicht hochspringen müssen.“
Hilde zögerte kurz.
Die Idee war groß, fast zu groß für das, was einmal mit einem verstaubten Dreirad begonnen hatte.
Aber als sie die entschlossenen Gesichter der Kinder sah, wusste sie, dass es an der Zeit war.
Ein paar Tage später stand ein neues Hundetransportrad im Hof.
Silberner Rahmen, breiter Kasten, eine weiche Matte am Boden, die nach frischem Stoff roch.
Vorne war eine durchsichtige Abdeckung gegen Wind und Regen, und an der Seite war in großen, klaren Buchstaben „Hundetaxi“ aufgedruckt.
Die Nachbarn blieben stehen, um es zu bewundern.
Herr Fenske strich mit der Hand über den Rahmen, Frau Voss lachte und sagte, jetzt könne ihr Dackel wie ein König reisen.
Sogar Frau Klinger kam herunter, um sich den neuen Wagen anzusehen, Momo dicht an ihrer Seite.
Mit dem zweiten Gefährt wuchs auch die Zahl der Fahrten.
Nicht mehr nur zum Tierarzt, sondern auch in den Stadtpark, zum Wochenmarkt, zu kleinen Ausflügen an den Rand der Ilmenau.
An Markttagen war der Kasten oft voll mit Körben voller Gemüse neben den Hunden – eine Fahrt, die Hunde und Menschen gleichermaßen genossen.
Immer häufiger meldeten sich nun auch ältere Bewohner aus anderen Straßen.
Hilde staunte, wie sich das Projekt in der ganzen Nachbarschaft herumsprach.
Manche boten ihre Hilfe an, selbst wenn sie kein Fahrrad fahren konnten: Sie begleiteten Fahrten zu Fuß, hielten Hunde fest oder halfen beim Ein- und Aussteigen.
An einem Samstagmorgen stand plötzlich Herr Riemer im Hof.
Er war über siebzig, trug eine abgewetzte Schirmmütze und hatte früher als Postbote gearbeitet.
„Ich hab Zeit und gute Beine“, sagte er knapp. „Ich könnte fahren, wenn ihr wollt.“
Hilde nahm das Angebot an und schon bald saß er sicher auf dem Sattel.
Es rührte Hilde, wie viele Hände sich plötzlich fanden.
Das Hundetaxi war nicht mehr nur ihre Idee, es war ein kleines Stück Gemeinschaft geworden.
Jede Fahrt brachte nicht nur Hunde ans Ziel, sondern auch Menschen zueinander.
Trotz der vielen Fahrten blieb Hilde immer bei Fritz.
Er hatte gute und schlechte Tage, und an den guten begleitete er sie zumindest bis in den Hof.
Sein Blick folgte den Rädern, als wisse er, dass dies alles mit ihm begonnen hatte.
Eines Morgens, Ende Juni, schien die Sonne warm und hell.
Fritz war ungewöhnlich munter, seine Schritte federnder, sein Atem ruhig.
Hilde beobachtete ihn beim Frühstück und dachte, dass dies ein Tag für einen besonderen Versuch sei.
„Willst du heute mitfahren?“ fragte sie.
Fritz wedelte, als hätte er das Wort verstanden.
Anna half, eine weiche Decke in den neuen Wagen zu legen, Max brachte eine Schale mit frischem Wasser.
Vorsichtig stieg Fritz über die Rampe in den Kasten.
Er drehte sich einmal im Kreis, legte sich dann mit dem Kopf auf den Rand, die Augen halb geschlossen, aber voller Aufmerksamkeit.
Hilde setzte sich auf den Sattel, Jonas fuhr nebenher.
Die Fahrt ging durch die kleinen Straßen des Viertels, vorbei an blühenden Rosenbüschen und geöffneten Fenstern, aus denen der Duft von Kaffee kam.
Fritz hob immer wieder den Kopf, ließ die Ohren im Fahrtwind flattern und atmete tief.
Sein Blick war ruhig, fast zufrieden.
Im Park hielten sie an.
Die Kinder setzten sich ins Gras, Hilde streichelte Fritz’ Kopf, während er die Geräusche und Gerüche aufsog.
Ein paar Kinder vom Spielplatz kamen herüber, um ihn zu begrüßen, und er ließ sich geduldig die Ohren kraulen.
Auf dem Rückweg dachte Hilde daran, wie weit sie gekommen waren.
Was als eine improvisierte Fahrt mit einem alten Dreirad begonnen hatte, war nun ein Projekt, das Menschen verband, Hunde glücklich machte und sogar Fritz noch einmal einen Tag im Fahrtwind schenkte.
Als sie wieder in den Hof rollten, lag ein leises Lächeln auf Hildes Gesicht.
Sie wusste, dass es nicht jeden Tag so sein würde, aber dieser eine Tag gehörte ihnen.
Und im warmen Abendlicht stand das Hundetaxi bereit, als könnte es noch viele solcher Tage tragen.
Hilde ahnte nicht, dass dieser Sommer für Fritz und sie noch entscheidende Prüfungen bereithalten würde.