Aber sie hatte gearbeitet. Nächte. Wochen.
„In Ihren öffentlichen Unterlagen“, sagte Hannah, „ist erkennbar, dass Sie bei Einführung neuer Prozesse an Datenschutzfragen hängen bleiben. Nicht, weil Sie es nicht ernst nehmen – sondern weil Sie zu sehr von einem einheitlichen Modell ausgehen.“
Klara hob minimal eine Augenbraue.
Hannah spürte, wie ihr Herz schlug, aber sie hielt den Blick.
„Ich habe über eine kleine Beratungsgruppe recherchiert“, fuhr sie fort. „Eine, die sich auf die Umsetzung in verschiedenen Ländern spezialisiert. Deren Fallstudien zeigen, dass Projekte schneller durchlaufen, wenn man die Regeln von Anfang an mitdenkt, statt sie später zu reparieren. Ich würde so einen Partner früh einbinden, damit das Projekt nicht in der letzten Kurve hängen bleibt.“
Es war nicht perfekt formuliert. Es war nicht voller Fachwörter.
Aber es war klar. Und es war ihr eigenes Denken.
Klara lehnte sich einen Tick vor. „Sie haben das wirklich vorbereitet.“
Hannah spürte einen warmen Schub im Bauch. Stolz. Echt. Unverfälscht.
Sie konnte das.
Sie war nicht kaputt.
Sie war…
Da bewegte sich etwas im Hintergrund.
Hannah sah es nur am Rand, im kleinen Bild ihrer eigenen Kamera. Die Tür ging auf.
Marc kam herein, einen Wäschekorb in der Hand.
Er stand nicht direkt in Hannahs Blickfeld, aber genau in der Kamera. Perfekt sichtbar.
Hannah trug kleine Kopfhörer. Marc dachte, sie hörte ihn nicht. Er dachte, das Mikrofon sei… unbedeutend.
Er beugte sich leicht zu ihr, und seine Stimme wurde dieses giftige Flüstern, das nur für sie gedacht war.
„Na? Immer noch am Spielen? Dich stellt doch keiner ein.“
Der Satz schnitt durch die Luft.
Und durch das Mikrofon.
Hannahs Blut wurde kalt.
Sie drehte sich ruckartig um, die Augen weit. Marc grinste nur, hob den Wäschekorb ein kleines Stück, als wäre das seine Ausrede, und ging wieder raus. Leise. Tür zu.
Sekundenlang war nichts.
Nicht einmal Hannahs Atem war zu hören.
Auf dem Bildschirm hatte Klara Voss nicht weggesehen. Nicht einmal geblinzelt. Ihre Miene war glatt – aber ihre Augen hatten sich verändert. Scharf. Still. Gefährlich.
Hannah spürte, wie ihr Gesicht brannte. Scham, so groß, dass sie fast würgen musste.
„Es tut mir leid“, stammelte sie. „Mein Mann… er— er wusste nicht, dass—“
Klara hob die Hand. Eine einzige Bewegung, die alles stoppte.
„War das Ihr Mann?“ fragte sie leise.
Hannah nickte, wie gelähmt.
Klara beugte sich näher an die Kamera. Ihre Stimme war ruhig, aber darunter vibrierte etwas Hartes.
„Wie heißt er?“
Hannahs Lippen waren trocken. „Marc Berger.“
Die Stille auf der anderen Seite des Bildschirms wurde schwer.
Dann sagte Klara, ganz langsam: „Ich kenne ihn.“
Hannah erstarrte.
Klara ließ den Blick nicht von ihr. „Drehen Sie bitte die Lautsprecher auf. Ich möchte, dass Sie das hören. Nicht über Kopfhörer. Laut.“
Hannahs Hand ging wie automatisch zur Maus. Sie klickte. Drehte den Regler hoch.
Ein leises Summen füllte den Raum.
Klara atmete einmal tief durch. Dann begann sie zu sprechen, und es klang nicht mehr nach Interview. Es klang nach etwas, das viel zu lange geschwiegen hatte.
„Vor vielen Jahren“, sagte sie, „war ich nicht hier. Ich war Projektleiterin bei einer kleinen Firma. Jung. Ehrgeizig. Ich habe dort gelebt. Nächte im Büro. Wochenenden am Rechner. Wir hatten etwas entwickelt, etwas, das uns groß machen sollte.“
Hannah hörte zu, obwohl sie kaum glauben konnte, was gerade passierte.
„Das Projekt war meins“, fuhr Klara fort. „Meine Planung. Meine Struktur. Ich hatte ein kleines Team. Junge Leute. Hungrig. Einer war besonders… charmant. Er konnte lächeln, er konnte reden. Er konnte jedem das Gefühl geben, er sei genau der Richtige.“
Klara machte eine kurze Pause.
„Sein Name“, sagte sie, „war Marc Berger.“
Hannahs Kehle zog sich zu. Ein Geräusch, als würde die Luft in ihr kollabieren.
Klara sah sie an, und in ihrem Blick lag kein Mitleid. Sondern Erkenntnis. Und etwas, das Hannah nicht sofort benennen konnte.
Vielleicht Gerechtigkeit.
„Damals“, sagte Klara, „ist etwas passiert. Etwas, das meine Karriere fast zerstört hätte.“
Hannah saß da, die Hände auf dem Tisch, als müssten sie sie festhalten.
Draußen im Flur hörte sie dumpf den Fernseher. Marcs Welt lief weiter, als wäre nichts.
Aber in Hannahs Zimmer war es plötzlich zu eng für Luft.
Klara Voss beugte sich noch ein Stück näher.
„Hannah“, sagte sie ruhig, „was Ihr Mann gerade getan hat… ist nicht neu. Er macht das seit sehr langer Zeit.“
Und Hannah spürte, wie der Funke Trotz in ihr zu etwas anderem wurde.
Zu einer Kälte.
Zu einer Wahrheit, die sich nicht mehr wegdrücken ließ.
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