Wenn die Welt durch uns hindurchsieht: Eine leise Erinnerung daran, was bleibt

Aber manche Dinge sind auch Landkarten. Auf ihnen kannst du sehen, wo du gewesen bist, mit wem, und warum es wichtig war.

„Pass auf sie auf“, flüsterte ich und wusste nicht genau, ob ich den Tisch meinte oder die Familie, die ihn bekommen würde.

Als die Schrader-Frau und ihre Tochter später kamen, um den Tisch abzubauen, half ich ihnen, so gut meine Knie es zuließen. Wir schraubten die Beine ab, legten Decken dazwischen, damit nichts verkratzt.

„Bis bald, Herr Berger“, sagte das Mädchen zum Abschied. „Ich bringe Ihnen ein Foto, wenn er bei uns steht, ja?“

Ein Foto. Von meinem Tisch in ihrem Leben.

„Das würde mich freuen“, sagte ich. Und ich meinte es.

Abends, als die Haustür das letzte Mal hinter einem Käufer zufiel, wurde es still.

Frau Kramer stapelte die restlichen Kartons, ließ ein Formular für mich auf dem Küchentresen liegen und verabschiedete sich mit einem Händedruck, der fester war als manch junge Umarmung.

Ich blieb allein zurück.

In einer Wohnung, die keine Wohnung mehr war.

Nur noch ein Raum, der darauf wartete, jemand anderem zu gehören.

Ich ging in den Flur, nahm meinen Mantel vom Haken – den Mantel, den niemand kaufen wollte, weil er „zu schwer“ war und zog ihn an.

Dann trat ich auf die Einfahrt, auf der ich am Morgen verschwunden war.

Die Luft war kühl, aber nicht kalt. Ein Nachbarjunge fuhr mit seinem Fahrrad vorbei, die Kopfhörer in den Ohren. Er warf einen kurzen Blick zu mir rüber.

Und dann geschah es.

Nichts Großes.

Kein Hollywood-Moment.

Er nickte. Einfach so. Als wäre ich Teil der Straße, nicht nur ein Schatten.

„Schönen Abend“, rief ich.

„Ihnen auch!“, rief er zurück, ohne langsamer zu werden.

Es war nur ein Satz.

Aber für jemanden, der heute Morgen um neun Uhr verschwunden ist, kann ein Satz eine Rückkehr sein.

Vielleicht ist es genau das, worum ich euch bitte:

Nicht darum, unsere Möbel zu behalten oder unsere Vorhänge aufzuhängen.

Sondern darum, uns nicht ganz verschwinden zu lassen, bevor wir wirklich gegangen sind.

Seht uns.

Fragt uns.

Nutzt die Zeit, in der unsere Geschichten noch nicht nur in Kartons stecken, auf denen „Mischkiste“ steht.

Denn eines Tages, schneller als ihr denkt, wird jemand eine Haushaltsauflösung für euch organisieren.

Und dann entscheidet sich, ob ihr wirklich gelebt habt oder ob die Welt schon längst gelernt hat, durch euch hindurchzusehen.

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