Wie man bleibt, wenn alle gehen: Zwei Generationen Tierliebe zwischen Schuld, Mut und Menschlichkeit

Aber sie ist das, was von dem Dorf geblieben ist, in dem Frau Müller mit Marmelade bezahlt hat.

Manchmal, wenn wieder jemand vor mir sitzt und sagt:

„Ich schäme mich so, ich kann mir das nicht leisten“,

hole ich diese Kiste hervor.

Und ja, ich weiß:

Das ist kein System.

Das rettet nicht die Welt.

Es gleicht keine Politik aus.

Es zahlt keine Mieten.

Aber für genau einen Menschen und genau ein Tier an genau diesem Tag bedeutet es alles.

Wenn mich jemand fragt, was ich mir von Menschen wünsche, die mit ihren Tieren zum Tierarzt kommen, dann ist es nicht, dass sie immer alles bezahlen können.

Es ist, dass sie ehrlich sind.

Dass sie nicht lügen, nicht so tun, als sei das Tier „plötzlich heute“ krank, obwohl es seit Wochen leidet, nur weil sie Angst vor der Rechnung haben.

Dass sie uns sagen:

„Ich habe Angst. Ich habe kein Geld. Aber ich will, dass es meinem Tier nicht mehr weh tut.“

Mit dieser Ehrlichkeit kann ich arbeiten.

Mit dieser Ehrlichkeit kann ich kreativ werden, suchen, anpassen, weglassen, improvisieren.

Lügen kann ich nicht behandeln.

Und vielleicht – nur vielleicht – wünsche ich mir noch etwas:

Dass die Menschen, die im Internet wütend über „die teuren Tierärzte“ schreiben, einmal in so ein Zimmer kommen.

Dass sie sich neben jemanden setzen, der gerade seine Hand auf ein altes, graues Fell legt und „Danke“ flüstert, während ich die Spritze setze.

Ich glaube, viele Kommentare würden verstummen.

Wenn ich wieder einmal spät abends vor meinem Aktenschrank knien und die unterste Schublade öffnen werde, wird dort irgendwann auch ein Foto von Balu liegen.

Vielleicht ein unscharfes Handyfoto, in einer kleinen Wohnung, mit Flecken auf dem Sofa – aber mit leuchtenden Augen.

Und vielleicht wird auf der Rückseite stehen:

„Er hatte am Ende noch zwei gute Wochen. Danke, dass Sie nicht nur auf die Zahlen geschaut haben.“

Dann werde ich mich erinnern:

Dass es sich lohnt, zu bleiben.

Auch, wenn es weh tut.

Auch, wenn die Welt lauter über Geld spricht als über Güte.

Denn am Ende und das ist die einzige Bilanz, die mich interessiert – wird keine Buchhaltung dieser Welt fragen:

„Wie viel hast du verdient?“

Sondern:

„Wie viel Leid hast du gesehen und bist trotzdem geblieben?“

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